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Verzweigungen. Zwischen den Zeiten – ganz nah.

Jüdische Lebenszweige – u.a.: Wie ein Stolperstein im Leipziger Osten weltweite Wellen schlägt …

Die Geschichte von Menschen ist immer auch die Geschichte eines Landes. Um unsere eigene Geschichte zu verstehen, müssen wir folglich auch immer um die unseres Landes wissen. Die Lebensgeschichten von Sofie Schneider und ihrer Familie gehören wie die unsrigen dazu.

Diese Unabdingbarkeit der Auseinandersetzung wie auch die mit real existierendem Antisemitismus der Gegenwart bewirkte, dass die Frauenkultur Leipzig 2013 die Verlegung eines Stolpersteines für Sofie Schneider – eine Leipziger Malerin jüdischer Herkunft – initiierte. Der Stolperstein im Gedenken an Sophie wurde am 16.Juli 2013 verlegt.

Die Ergebnisse der intensiven Recherchen über das Leben von Sofie Schneider waren 2013 sehr lückenhaft. Acht Jahre später, im März 2020 schickte eine Verwandte von Sofie Schneiders aus Südafrika eine Mail, um sich bei der Frauenkultur Leipzig für die Verlegung des Stolpersteins ihrer Ur-Urgroßtante zu bedanken.

Es tut mir leid, dass ich mich nicht auf Deutsch verständigen kann. Ich bin eine südafrikanische jüdische Frau, die letztes Jahr Leipzig auf dem Weg zu einer Konferenz in Hamburg besucht hat. Ich entdeckte das jüdische Archiv (Israelitische Religionsgemeinde zu Leipzig) und sie halfen mir, Informationen über meine Urgroßtante Sora Sophie Schneider zu finden, die eine Künstlerin in Leipzig war, bis sie im Holocaust starb. Ich besuchte ihre Wohnung Eisenbahnstr. 97. Ich suchte dort nach einem Stolperstein, konnte ihn aber nicht finden.
Ich wollte einen organisieren und habe gerade erfahren, dass Ihre Organisation 2011 einen für sie organisiert hat. Ich möchte Ihnen zutiefst dafür danken, dass Sie sich an sie erinnern und das tun. Ich brauche auch Hilfe, um herauszufinden, ob etwas von ihrer Kunst überlebt hat. Ich kann online nichts finden, aber mir ist klar, dass ich kein Deutsch spreche, was ein großes Problem bei der Online-Suche ist. Ich habe zwei Stücke ihrer Kunst (eine Zeichnung und eine Radierung) und meine Mutter hat eine Zeichnung. Können Sie vielleicht helfen, herauszufinden, ob etwas von ihrer Kunst in Leipzig oder in Deutschland erhalten geblieben ist?
Beste Grüße
Ruth Morgan

Diese einfache Kontakt-Aufnahme war der Beginn einer Entwicklung, die mit umfangreichen Recherchen ihrer weltweit verzweigten jüdischen Familie verbunden war und ist.

Sofie Schneider in ihrem Leben, in ihrem Werk und in ihrer jüdischen Familiengeschichte in Leipzig öffentlich zu machen – für uns eine Möglichkeit des Nicht-Vergessens; für uns und ihre große Familie eine Möglichkeit der Begegnung, des Kennenlernens – auch in unterschiedlichen Bezügen Leipziger (Stadt-)Geschichte.

In den ersten Dokumenten, die wir in Archiven fanden – stand der Name Sora Sofie Schneider. Daher ist der Vorname Sora auch auf dem Stein zu lesen. Erst über den Kontakt mit der Familie im Jahr 2020 erfuhren wir Wissen, dass Sora nie der Name von Sophie Schneider war.

Sora war die in einem Archiv-Dokument undeutlich lesbare Variante von Sara. Am 17. August 1938 zwang der national-sozialistische Staat deutsche Juden und Jüdinnen stigmatisierende Vornamen anzunehmen: Männer mussten „Israel“ als zweiten Namen führen, Frauen „Sara“. Dies war ein weiterer demütigender Schritt auf dem Weg der Entrechtung. Es trat die „Zweite Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Änderung von Familiennamen und Vornamen“ in Kraft, ergänzt einen Tag später von den „Richtlinien über die Führung von Vornamen“.

Folglich wird auf dieser Webseite der aufgezwungene Vorname nicht mehr erwähnt.

Diese Webseite ist eine Möglichkeit, Momente der (Lebens-)Wege von Sofie Schneider und ihrer Familie nachzuzeichnen – mit Geschichten, die ihre Geschwister, deren Kinder und Enkel zusammengetragen haben… über ihr Leben und ihre Arbeit in Leipzig; über ihre unfreiwilligen Wege fort aus dieser Stadt. Ein Stück des Gemeinde-Lebens der Body-Synagoge in der Keilstraße wird sichtbar. Und zum ersten Mal werden die „wiedergefundenen“ künstlerischen Arbeiten von Sophie Schneider öffentlich gezeigt.

Die Arbeit an dieser Webseite wird freundlich unterstützt Esther Jonas-Märtin, Rabbinerin, M.A., M.A., Vorsitzende Beth Etz Chaim. Lehrhaus-Gemeinschaft-Teilhabe e.V.